Unruhe im Land, Proteste, Angst, Klimakreise, Wirtschaftskrise, die Krise in der Krise (Depression) und NordarR .... Schnauze! Kapitalmarx! Wann? Jetzt! Du kannst hier gerne ne Runde heulen, ab hier gibts auf den Nacken! Wenn Attitüde so heruntergeht wie Öl, dann bricht mal wieder die NordarRchie im Lande aus. Kapitalmarx fistet dich mit Brachialromantik Elektronika. Hirnfickalarm!  

Bad Word Alarm schon in der Einleitung, aber was muss das muss. Ich feiere derb! Zelebriere diese Scheibe, auf meine Art. Wer NordarR kennt weiß, die erkennst du am Sound, Markenzeichen, Brandmahl, Blut. Daher lieber André lass dir gesagt sein, es ist wieder eine Punktlandung, bis in die Details. Schon mit der Verpackung, gesehen, gefeiert, verliebt. Hier läuft gerade RIP, schon die ersten Sekunden, zack, haben mich. Bähm Synthiedruck, geile Drums, Shouts dirty as the streets. Heraushauen, genau das richtige Schlagwort für die Scheibe, denn sie dürfte allerhand Herzen erobern. Habt ihr Mal wieder sehr gut gemacht. Richtig GUT. 

Haben die Jungs mal wieder allerhand Kritik in Wut gewandelt wie ein Turbolader in 'nem V8? Die Frage würde ich lieber nicht stellen sonst könnte es ein das dir die Scheibe eine klatscht.

Natürlich, das Genre liebst du oder hasst du. Aber wer hier braver Leser ist, weiß, hier hat das Genre quasi n Hinterzimmer, um nicht zu sagen Darkroom.

Passender in den Zeitgeist hinein könnte das Release eh nicht fallen, da besteht natürlich die Gefahr das man missverstanden wird. Die Frage kann natürlich keiner besser beantworten als NordarR selbst, daher hab ich sie gestellt, und einige mehr. 

KapitalmarX kommt zu sehr ungewöhnlichen Zeiten, selten war so viel Unruhe und Wut im
Land wie derzeit. NordarR sind bekannt dafür, den Zeitgeist aufzugreifen, ihn zu zerlegen, als
Spiegel zu fungieren. Daher dürften Themen und Inhalte gerade keine Mangelware sein. Wie
geht ihr damit um?

André

„KapitalmarX kommt erstens genau zur richtigen Zeit! Und zweitens, siehe erstens.“

Chris
„Ungewöhnlich sind die Zeiten immer, es ändert sich ja ständig etwas. Allerdings hast du recht und uns ist auch aufgefallen, dass die KapitalmarX Saison sich mehr mit seiner Umwelt und Zeit
auseinandersetzen muss, als andere Veröffentlichungen bisher. NordarR ist ja auch stets ein Produkt seines Umfeldes und KapitalmarX müsste demnach wie 50 Minuten „Keine Zukunft“ von Pouppée Fabrikk klingen, allerdings sind wir die Dinge diesmal anders angegangen und das hört man auch.“ 

Einige Titel sind provokant wie immer. Es gibt durchaus Stimmen in der EBM Szene denen diese Attitüde missfällt, zu viel Anarchie, zu viel Chaos zu viel Gebrüll. Wie geht ihr damit um? Auch mit der Gefahr das ihr eventuell in Ecken gestellt werdet oder in Schubladen landet?

André

„Für mich, und zwar für mich allein gilt die Erkenntnis: Leonardo DiCaprio ist in Titanic nicht gestorben und er war auch nie Pilot, weil er eben ein Schauspieler ist, und zwar ein sehr guter. Ob er privat irgendetwas von dem vertritt was er vor der Kamera macht oder alles vertritt was er vor der Kamera macht hat mir verdammt noch mal egal zu sein. Ich werte jede Performance jedes Künstlers für sich, und ja, es gibt Sachen die ich nicht mag, und dieses Recht der Einschätzung hat auch jeder gegenüber NordarR.“

Chris

„Das kann ich durchaus nachvollziehen. Es gibt heute kaum noch Bands, die einen ähnlichen Ansatz verfolgen und das auf Dauer. Nitzer Ebb war so ein Fall. An vielen Ecken erzählt jemand „EBM ist nicht politisch“, während in den Clubs die Menge TO THE LEFT bei „Violent Playground“ brüllt. Meint ihr, der dachte dabei an den Linksverkehr in England? Das finde ich schon immer seltsam und diese Inkonsequenz zieht sich bis heute durch die Szene. Schubladen haben die Leute offensichtlich auch genug. Interessant dabei ist, der eine hat 10 Schubladen während ein anderer schon 20 hat. Dazu kommt, dass es ja deren Schubladen sind, nicht unsere. Wir denken nicht in Schubladen. Ich denke eher, dass wir einen Aspekt von vielen ausfüllen und damit, wie unsere Kollegen auch, einen gemeinschaftlichen Teil zum Erhalt der zeitgenössischen Szene beitragen. Und NordarR ist eine Beziehung, es ist Kreativität und unsere Bestimmung, aber nicht eine Sekunde fühlt sich darin nach Gefahr an.“

Wie bei NordarR üblich war KapitalmarX ein Prozess, wie läuft bei euch beiden so eine
Produktion ab? Gibt es einen der die Fahne in die Hand nimmt oder trefft ihr euch in der Mitte
des Ganzen? Was ich mich oft Frage; Was ist eher da von einem Track? Der Text oder die
Musik? Wie beginnt ein Track wie Freaks z.B.?

André
„Der Großteil der Sounds, Kompositionen und nahezu alle Texte kommen von mir. NordarR ist mit dem ersten Album „Neues von Gestern“ als Solo Projekt gestartet und es war auch nach Chris`s
dazustoßen klar, dass sich am musikalischen Entstehungsprozess nicht viel ändern wird. Ich habe
mir im Laufe der Jahre Wissen erarbeitet, im Studio in Schweden viel gelernt und letztendlich das Strom-Ton Studio gebaut. Hier entsteht fast alles was man bei NordarR zu hören bekommt. Es ist jedes Mal ein Stresstest für mich, wenn ich Chris dort neue Songs vorstelle. Denn wir sind eine Einheit. Wir müssen beide jeden Song, jedes Detail lieben, sonst funktioniert das für uns nicht. Es gibt aber auch Live Intros, Live Versionen oder auf dem neuen Album 2 Instrumentale, die Chris gemacht hat. Ich bin ehrlich, selbst wenn für die meisten Sachen musikalisch ich verantwortlich bin, würde es NordarR ohne Chris vielleicht nicht mehr geben.“

Chris
„Soweit würde ich jetzt nicht gehen. NordarR hat natürlich einen sehr Trademarklastigen Sound und den wollen wir auf jeden Fall beibehalten. Zwischenzeitlich ist NordarR Musik nur entstanden, wenn ich im NRHQ gelandet bin. Das führte zu unfassbaren Nächten mit Soundexperimenten, aber nicht zu Ergebnissen. Und wir brauchten dann doch jetzt mal das Album fertig. Nach und nach manifestierte sich bei KapitalmarX das, was sich bei ALLES AUF NULL bereits herauskristallisiert hat: Wir sind skillbasiert am besten. Und da André sich auch für das rechtfertigen muss, was er da von sich gibt, beginnt er den Löwenanteil der Songs für sich. Also falls jemand fragt; Er war es! hehe“

André
„Ja, wie entsteht ein Song? Oft beginne ich an meinem Lieblingssynth (Moog Sub 37) eine Bassline zu bauen, dann folgen die Drums und die Struktur der Tonlagen für die Refrains. Dann kommt das Demo aufs Handy und begleitet mich Tage oder Wochen im Auto. Dabei entstehen die Texte, von denen ich meistens nur Schlagworte vorab im Kopf habe. Musik um einen Text zu bauen ist nicht mein Ding. Bei Suffer (KapitalmarX) habe ich auch endlich mal wieder einen Text mit Pontus von Spetsnaz zusammen geschrieben. War sehr lustig. Danach kommt dann die Produktion mit dem adden von weiteren Synths, der Stimme und dem Erstellen des Mixes. Dann kommt Chris dazu und wir ergänzen zusammen Samples, die er vorab bei sich erstellt hat. Es gibt auch einige Songs, wo wir deutlich mehr zusammenarbeiten, dass kann super bereichernd für mich sein oder eben auch Stress pur, da ich ein ziemlicher Egomane bin, wenn`s um das Musizieren geht. Der letzte Schritt ist der final Mix und das Master, dabei bin ich sehr oft sehr genau, seltsam, und es dauert ewig, daher ist das ein sehr einsamer Prozess, oder Chris? *Lacht*“

Chris
„Brudi, das kannst du schön alleine machen, ich setz mich an den Pool. Ist natürlich Quatsch.
Manchmal komme ich schon dazu, bei einem solchen abschließendem Prozess dabei zu sein und es
passiert nicht selten das ich ihn beobachte und mir so denke: Er ist bestimmt genau so gespannt
darauf, wie das gleich klingt, wie ich. *Lacht* Allerdings weiß er ganz genau was er da macht und von daher hat er mein vollstes Vertrauen.“

André, für die Musikerkollegen hier vielleicht auch mal interessant, wenn du einen Einblick in
die NordarR Soundschmiede geben kannst: Wie entsteht NordarR Sound? Was reizt dich
daran, genau diese Soundscapes zu schaffen?

„Es gibt Tage, auch mal Wochen, in denen ich ganz einfach keine Songs machen kann weil mir
absolut nichts gelingen will. Dann setze ich mich im Studio an meine Synths und kreiere Sounds.
Dabei nutze ich oft den Arturia Polybrute, den Sub 37, Pro 2 oder Access Virus TI2. Preset/Sounds der Geräte sind oft ok, sogar gut. Aber Bass und Flächen in einem Song wie RIP mache ich bewusst von Grund auf selbst. Wenn ich die analogen Effekte im Polybrute höre, dann weiß ich warum ich diese möchte und keine Plugins.“

Das NordarR eine Live Band ist, streitet heute keiner mehr ab. Bisher habt ihr zu jedem Release
eure Bühnenshow erweitert. Generell arbeitet ihr viel am visuellen Bild von NordarR. Was
erwartet uns 2024? Was habt ihr vor auf Bühnen und Co? Auf Tonnen dreschen, die Keule
schwingen, brachial, laut, krasse Outfits, kennen wir bereits, auch das NordarR Sound live
noch eine Ecke härter ist. Was plant ihr für 2024?

Chris
„Wir haben echt viel probiert und mich wirklich querbeet positioniert. Schlagzeug im stehen und im sitzen, was wirklich geil war. Verschiedenste Synthies, die jedes mal ein anderes Klangbild erzeugt haben, was irgendwann stressig wurde. Auch an Outfits hatten wir uns ab und zu ausprobiert. Und dann kam der Twist 2017, der uns bis heute maßgeblich einen extremen Antrieb verleiht. Wir hatten ja schon das Thema Arbeitsteilung und André hat mir irgendwann freie Hand gelassen, oder sagen wir mal so; Bei einer Rallye säße André auf dem Co-Pilotensitz, hat einen Plan und sagt, wo es lang geht und ich prügel uns da auf Colin McRae Art durch. Nur mit Kommunikation und direkter Handlung schafft man es, nicht vom Weg abzukommen, weil beides voneinander abhängt. Wir haben ein gemeinsames Ziel vor Augen und selbst wenn es mal rutschig wird, ist das noch lange kein Grund diese Etappe vorzeitig zu beenden.

Zum zukünftigen Bühnenbild kann ich noch nichts sagen. Ich weiß nur eins; Es wird mehr, oder zumindest anders. Wir haben genug Ideen und die können auch plötzlich anderen Ideen weichen. Das wissen wir jetzt noch nicht genau. Und dann ist da ja noch die „Stage Slaughter Crew“, die uns tatkräftig bei unseren Gigs unterstützt. Damit sind wir effektiv von 2 auf 6 Leute angewachsen. Chucky, Ines, Marta und Tschek haben wie wir richtig Bock darauf. Das gibt einer Showumsetzung für NordarR unfassbare Möglichkeiten und dafür sind André und ich unglaublich dankbar. Wir freuen uns auf das, was noch kommt. Wichtig an der ganzen Arbeit vor, während und nach jeder Show oder jedem Album; Es gibt keine spürbare Grenze mehr, die uns in ein Korsett zwingt. Das ist unglaublich befreiend. Und natürlich gucken wir auch bei anderen Bands, ist doch Logo. Das machen andere auch, man nennt es adaptieren und das geht schon seit Beethoven so. Wenn der wüsste, der arme.“

Ich finde den Pappschuber zu Kapitalmarx einfach Bombe! Das ganze kommt in so einem
absolut genialen ZDFInfo Charme daher. Optisch mal NULL EBM Old School. Wer NordarR
kennt wird lächeln müssen, denn dahinter verbirgt sich nun mal brachial Electro, der dir heftig
in den Nacken gebrüllt wird. Wie kamt ihr auf die Idee? Was ist eure kleine Message dahinter?

Chris
„Ok, auf ZDF bin ich jetzt noch nicht gekommen. Auch sehr schön und völlig legitim. Was KapitalmarX ist, darf jeder gerne selbst entscheiden. Ob nun ein Charakter, eine Situation oder ein Unternehmen. KapitalmarX vereint 2, in ihren Grundsätzen, verschiedene Ansätze und das schließt in seinem Spektrum folglich alle und alles mit ein. Für mich ist es zu einem Synonym einer Lage geworden, in der wir alle stecken. Das für & wider einer kapitalistischen Marktwirtschaft. Da für uns auch die Optik eines Releases einen großen Stellenwert hat, haben wir uns dafür entschieden, es so abzubilden wie es heute ist. Wir haben ja das Album unter unserem Banner „Straight Ahead Movement“ veröffentlicht und somit alle Stricke selbst in der Hand und sind mit dem Ergebnis überglücklich. Mit Poponaut haben wir einen Exlusivpartner für den CD Vertrieb gefunden, was noch on top dazu kommt. Und da wir ja versprochen haben, dass auf KapitalmarX alle dran sind, gehen wir das erste mal auch den Weg über Streamingdienste, um euch alle erreichen zu können. Wie war das nochmal mit den Nachbarn? Ob sie wollen oder nicht..?“